Zunftzeichen: Gebäudereiniger
Die geschichtliche Entstehung des Gebäudereiniger-Handwerks geht auf das 17. Jahrhundert zurück. Nach dem 30-jährigen Krieg zogen in Norddeutschland sogenannte „Wand und Wagenwäscher“ mit Bürsten, Besen sowie Leitern und Kübeln bepackt in die Städte, um Fassaden zu reinigen. Reinigungsarbeiten gehörten sichtlich schon immer zu den Tätigkeiten der Menschen. Das Gebäudereiniger-Handwerk lässt sich allerdings weder von den sogenannten Wagenwäschern, die nach dem Dreißigjährigen Krieg in Norddeutschland auftraten und auch Fassadenreinigung anboten, noch von den Beschäftigten in der Tradition des klassischen Dienstpersonals ableiten. Das Handwerk des Gebäudereinigers in heutiger Form ist erst mit der beginnenden Industrialisierung im 19. Jahrhundert in Deutschland entstanden. Nachdem der belgische Chemiker und Unternehmer Ernest Solvay im Jahre 1861 durch kostengünstige Glasproduktion diesen Baustoff breiten Bevölkerungsschichten eröffnete, waren die Voraussetzungen für die gewerbliche Glasreinigung geschaffen. 1878 gründete der Franzose Marius Moussy in Berlin sein „Französisches Reinigungsinstitut“. Das Unternehmen beschäftigt sich ausschließlich mit der Glasreinigung. Ehemalige Mitarbeiter Moussy’s machten sich selbstständig und gründeten in anderen Städten weitere Reinigungsinstitute. Ab diesem Zeitpunkt wuchs das Glasreinigungsgewerbe stetig. Das Aufblühen der Industrie im Deutschland der „Gründerzeit“ zog den Bau von großen Geschäftshäusern, Verwaltungsgebäuden, Bahnhöfen und Ministerien mit riesigen Natursteinfassaden und wuchtigen Fenstern nach.
Die erste Fassadenreinigung mit Hilfe mechanischer Fahrleiter wurde 1888 in Frankfurt am Main durchgeführt.
Die Unternehmer gründen 1901 eine Berufsstandorganisationen, den „Verband der Reinigungs- Instituts-Unternehmer Deutschlands“. Initiator ist der Göttinger Verleger Ernst Kelterborn, der im April 1901 die erste Fachzeitschrift in „Internationales Zentralblatt für Reinigungsinstitute und verwandte Geschäftszweige“ herausgab. In der Satzung sieht der Verband die Gründung von „Gauen und Ortsgruppen“ vor, die Vorläufer der Landesinnungsverbände und Innungen. Einzelne Unternehmer fordern die Anerkennung der Reinigungstätigkeiten als Handwerk. Zwischen 1914 und 1918 wurden fast alle männlichen erwerbstätigen des Reinigungsgewerbes zum Heer eingezogen oder zur Arbeit in rüstungswirtschaftlich wichtigen Unternehmen verpflichtet. An ihre Stelle treten die Frauen, die als Betriebsleiterinnen und Glasreinigerinnen arbeiten. Während des Krieges stellt der Verband seine Tätigkeiten ein. Im Jahr 1920 wurden im Südwesten der „Verband der Reinigungsinstituts Unternehmer Süddeutschlands“ und im Westen der „Westdeutsche Reinigungsunternehmerverband“ gegründet. In Hannover wird die erste Innung für das Glasreinigergewerbe gegründet. Bis zum Beginn des dritten Reiches entstehen weitere 381 Innungen, die freie Innung Kiel 1926, freie Innung Düsseldorf 1926, freie Innung Stuttgart 1927.
1929 wurde der Reichsverband der Glas und Gebäudereiniger Innungen gegründet. Dem Verband gehörten sechs Landesverbände an: Westdeutscher Reinigungsunternehmerverband, Verband der Reinigungsinstitut Unternehmer Süddeutschlands, Norddeutschlands, Ostdeutschlands, Sachsens, Mitteldeutschlands.
Am 30. Januar 1933 übernehmen die Nationalsozialisten die Macht und ordnen das Handwerk durch die Einführung der Pflichtinnungen neu. Alle Handwerker sind verpflichtet, einer Innung beizutreten. Die Regierung gibt am 30. Juni 1934 ein Verzeichnis der Gewerbe heraus, für die diese Bestimmung gilt. Hier sind auch die Gebäudereiniger aufgeführt und damit im ganzen Reich als Handwerker anerkannt. Die Innungen werden gleichgeschaltet, d.h. der Vorstand muss in seiner Mehrheit aus Mitgliedern der NSDAP bestehen. Nach der reichsweiten Anerkennung als Handwerk wird der Reichsverband der Glas und Gebäudereiniger-Innungen aufgelöst. Der Beruf des Gebäudereinigers ist als Handwerksberuf seit 1934 staatlich anerkannt und bildet seit dem Gebäudereiniger und Meister aus. Der Gebäudereiniger bekommt nach dreijähriger Ausbildung/Prüfung einen Gesellenbrief. Danach kann er eine Meisterprüfung ablegen, was heute aber nicht mehr zwingend ist, um einen Betrieb zu gründen.
Circa 2600 Betriebe allein in Deutschland, von denen einige schon mehr als 100 Jahre existieren, haben sich in Innungen zusammengeschlossen.