Zunftzeichen: Optiker
Schon Jahrtausende vor Christus wurden durchsichtige Werkstoffe in Form von Linsen angefertigt. Allerdings ist es Historikern bis heute nicht gelungen, deren Verwendung im Altertum als Sehhilfen nachzuweisen. Vielmehr dienten die aus Bergkristall oder Glas geschliffenen Linsen der Babylonier, Ägypter und Römer ausschließlich als Schmuck, zum Beispiel für die Gürtelschnallen angesehener Frauen oder zur Schwert- und Schildverzierung kriegstüchtiger Männer. Der um 130 n. Chr. in Alexandria lebende griechische Mathematiker und Philosoph CLAUDIUS PTOLEMÄUS beschäftigte sich intensiv mit dem Phänomen der Vergrößerung einer mit Wasser gefüllten Glaskugel. Er schrieb ein fünfbändiges Handbuch der Optik, welches als Grundlage für die späteren Erfindungen von Vergrößerungsoptiken diente.
Die Geschichte der ersten Sehhilfe beginnt vermutlich im Frühmittelalter zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert, als die arabische Kultur und Wissenschaft einen Höhepunkt erlebte. Bedeutende Werke von griechischen Wissenschaftlern und Philosophen, daneben die erhalten gebliebenen Schriften des Handbuches über die Optik des PTOLEMÄUS, wurden in die arabische Sprache übersetzt. Im 11. Jahrhundert beschrieb der arabische Mathematiker, Astronom und Mediziner ABU ALI AL-HASAN IBN AL-HEITHAM, auch ALHAZEN genannt, in seinem Werk „Schatz der Optik“ ein gläsernes Kugelsegment, mit dessen Hilfe Gegenstände vergrößert erscheinen. Erst im 13. Jahrhundert wurde der „Schatz der Optik“ in die lateinische Sprache übersetzt. Die Motivation zur Erfindung einer Sehhilfe ging von den Mönchen aus, denn sie bildeten damals den Großteil der Schriftkundigen und suchten nach einer Lösung zur Korrektion der Alterssichtigkeit. Dafür verwendeten sie so genannte Lesesteine, die sie auf die Folianten legten, um die Schrift zu vergrößern. Da zu dieser Zeit (um 1200) nur in Venedig farbloses Glas hergestellt werden konnte, benutzten die Mönche einfache Linsen (Halbkugeln) aus Bergkristall oder Beryll als Lesesteine.
Im Laufe der Zeit wurden die stark gekrümmten Flächen der Linsen immer flacher und feiner geschliffen. Einen großen Anteil daran hatte der Franziskanermönch ROGER BACON. Er veröffentlichte im Jahre 1267 sein Schreiben „Opus majus“ und beschrieb den Lesestein und seine Vorzüge. Die optimierten Linsen von BACON wurden nicht mehr auf die zu lesende Schrift gelegt, sondern in der Hand haltend dem Auge genähert. In absehbarer Zeit verbreiteten sich die Kenntnisse über die Herstellung von Lesesteinen von den Klöstern auf die westlichen Handwerker in Europa. Die Glasschleifer in Murano bei Venedig kamen vermutlich als Erste auf die Idee, die Lesesteine zur bequemeren Handhabung mit einer Fassung zu versehen. Das so genannte Stielglas bzw. Einglas war eine Weiterentwicklung des Lesesteins, welcher aufgrund der Kenntnisse der Herstellung von Sammellinsen und Zerstreuungslinsen die Korrektion von Fehlsichtigkeiten ermöglichte. Die älteste bisher bekannte Darstellung einer Brille (Nietbrille) aus dem Jahre 1352 befindet sich im Kloster St. Nicolas in Treviso, einer kleinen Stadt in der Nähe von Venedig. Diese einfach gebaute Sehhilfe wurde von der fehlsichtigen Person in der Hand gehalten oder auf dem Nasenrücken balanciert.
Das Schleifen von Brillenlinsen und die Herstellung von Brillenfassungen war damals ein schwieriger und langer Prozess. Die Brillenlinsenschleifer in der Brillenmacherei mussten zunächst in der Glashütte unter den zur Verfügung stehenden Glasklumpen, welche oft Lufteinschlüsse und Verunreinigungen aufwiesen, die Geeignetsten identifizieren. Anschließend brachten sie das Glas durch Anritzen mit einem Diamanten und Abtrennen überstehender Teile in eine annähernd runde Form und kitteten es auf einen runden Holzklotz, der etwas kleiner als die fertige Brillenlinse war. Die überstehenden Kanten wurden unter Wasserzufuhr mit Hilfe einer Schmirgelscheibe abgeschliffen. Nach der Bearbeitung des Glasrandes wurde das Glas nach leichter Erwärmung mit Hilfe eines hölzernen Schlegels vom Holzklotz abgeklopft. Zur Erzeugung der optisch wirksamen Fläche mussten die Brillenglasschleifer eine Schleifschale aus Kupferplatten herstellen, welche die gewünschte Krümmung aufwies. Das randbearbeitete Glas wurde auf eine Holzhaube gekittet und die Schleifschale auf einer Drehscheibe befestigt. Anschließend wurde die Drehscheibe in Bewegung gesetzt und die Holzhaube vorsichtig in die Kupferschale gedrückt. Der Schleifprozess, der mit Wasser und beigemengtem Schleifsand erfolgte, wurde so lange wiederholt, bis die gewünschte Güte erreicht war. In einem letzten Schritt wurde die Schleifschale mit Papier ausgeklebt, und unter Zugabe von Poliermittel wurden die optisch wirksamen Flächen transparent poliert. Sowohl für die Glasrandbearbeitung, als auch für die Fassungsherstellung brauchten die Handwerker Geräte und Hilfsmittel sowie Kenntnisse im Umgang mit Holz, Leder und Horn. Ende des 15. Jahrhunderts entfaltete sich die Stadt Nürnberg, bedingt durch die unmittelbare Nähe zu den Glashütten im Bayerischen- und Böhmerwald, zum bedeutungsvollsten Mittelpunkt der Brillenmacher2 . Bereits im Jahre 1535 wurden vom Nürnberger Stadtrat Regelungen zur „Parillenmacherordnung“ festgelegt. Diese beinhalteten neben Vorschriften zur Ausbildung und Qualitätssicherung auch die Materialherkunft und deren Verwendung sowie die notwendigen Bearbeitungsmechanismen und die Preisgestaltung. Das Brillenmacherhandwerk gewann immer mehr an Bedeutung, so dass bald auch in den Nachbarstädten Nürnbergs, wie zum Beispiel Regensburg, Konkurrenz auftauchte, die zudem einer anderen Handwerksordnung unterlagen. Im späten Mittelalter (bis um 1500) wurden die Brillen bereits in kleinen Läden und im Wanderhandel von reisenden Kaufleuten angeboten. Während sich die Brillenfassungen seit dem Mittelalter stetig weiterentwickelten, gab es bis in das 18. Jahrhundert kaum Veränderungen bezüglich der Optimierung der Abbildungseigenschaften von Brillenlinsen. Verbessert wurden lediglich die Verfahren zur Glasherstellung und die Schleiftechniken zur Bearbeitung der Linsenflächen. Mitte des 17. Jahrhunderts wurden Brillen erstmalig mit Bügeln versehen. Dabei führten Bemühungen, der Brille einen sicheren Halt vor den Augen zu geben und zugleich den hohen Druck auf die Nase zu beheben, in der Zeit zwischen Barock (ca. 1580-1730) und Rokoko (ca. 1730-1790) zu extravaganten und skurrilen Brillenmodellen. Damals „Parillenmacher“ genannt; der Begriff „Parilla“ hat seinen sprachlichen Ursprung im Wort Berylle, womit der Edelstein „Beryll“ gemeint war. Mehrere Jahrhunderte lang waren Brillenmacher technisch vielseitige Handwerker, die sowohl Brillenlinsen, als auch Brillenfassungen, Fernrohre und Mikroskope herstellten. Im Zuge der steigenden Nachfrage an Brillen entstanden im 18. Jahrhundert kleine Manufakturen mit mehreren Angestellten, die zum Teil minderwertige Produkte erzeugten. Diese „Billig-Brillen“ aus gegossenen und gepressten Brillenlinsen wurden dann fern von den Brillenmacherfachgeschäften direkt auf Märkten oder an den Haustüren vertrieben. Bis Ende des 18. Jahrhunderts erfolgte die Auswahl und Anpassung von Brillen durch einfaches Probieren, bis die gewünschte Sehschärfe erreicht war. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts wurden Brillen nach genauer Vermessung der Augen für die jeweils ermittelte Fehlsichtigkeit angefertigt. Diese Erweiterung des Geschäftsfeldes der Brillenmacher bedingte ihre Umbenennung in die noch heute verwendete Bezeichnung „Augenoptiker“. Auch der technische Fortschritt durch die Umsetzung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse auf dem Gebiet der Optik und die Innovationen in der Individualanfertigung von Brillenlinsen führten zur genaueren Differenzierung der Korrektion von Fehlsichtigkeiten. Einige bedeutende Wissenschaftler, wie zum Beispiel der englische Arzt WILLIAM HYDE WOLLASTON, führten in den Anfängen des 19. Jahrhunderts Forschungsarbeiten zur Verbesserung der Abbildungseigenschaften von meniskenförmigen Brillenlinsen durch. Im Jahre 1801 gründete JOHANN HEINRICH AUGUST DUNCKER zusammen mit SAMUEL CHRISTOPH WAGENER, dem Leiter der Industrieschule der Rathenower Garnison, die „Königlich privilegierte optische Industrie-Anstalt“, die später zu den Rathenower Optischen Werken (ROW) wurden. Durch neue Erfindungen von DUNKER war die Herstellung von Gläsern und Fassungen erstmals in Massenproduktion möglich. Ein Beispiel dazu ist die von ihm patentierte Vielspindelschleifmaschine, mit der eine effiziente Bearbeitung mehrerer Brillenlinsen unter Wasserzufuhr möglich wurde. Brillen konnten somit präziser und preiswerter hergestellt werden. Weitere bedeutende technische Errungenschaften sowie Vorarbeiten angesehener Augenärzte trugen zur enormen Weiterentwicklung moderner Brillenlinsen bei. Ebenso trieb die enge Zusammenarbeit der Fa. CARL ZEISS mit dem schwedischen Augenarzt ALLVAR GULLSTRAND sowie den Wissenschaftlern ERNST KARL ABBE und OTTO SCHOTT Ende des 19. Jahrhunderts die Entwicklung von neuen Brillenlinsen entscheidend voran. Es wurde ein Verfahren entwickelt, das die Auswahl von Brillenlinsenmaterialien wesentlich erleichterte. Die Entwicklung neuer glastechnischer Schmelzverfahren erweiterte zudem die Palette an optischen Gläsern. Die Einführung der industriellen Fertigung von Brillenlinsen bewirkte eine Differenzierung innerhalb des Optikerberufes. Fortan wurden Feinoptiker in der Industrie für die Bearbeitung der optisch wirksamen Flächen eingesetzt. Im Geschäft hingegen befassten sich Augenoptiker mit der fachgerechten Anfertigung und Anpassung von Sehhilfen sowie der Ermittlung von Fehlsichtigkeiten.