Straßennamen und ihre Bedeutung (Stadtteil Schmellwitz)
Sorbische/Wendische-deutsche Straßennamen
Straßennamen in deutscher und niedersorbischer/wendischer Sprache finden sich fast überall in Cottbus/Chóśebuz. Entsprechende gesetzliche Regelungen ab den 1950er Jahren sowie die Anerkennung des angestammten Siedlungsgebiets der Sorben, auch Wenden genannt, sehen eine diesbezügliche Zweisprachigkeit vor. Darüber hinaus gibt es Straßennamen, die an (deren) Persönlichkeiten erinnern oder sorbischen/wendischen Ursprungs sind.
Im Zuge des Aufbaus des Ortsteils Neu-Schmellwitz/Nowy Chmjelow ab 1984 (-> Wendisches Viertel/Serbski běrtyl) gingen die Verantwortlichen der Stadt noch einen Schritt weiter – es wurde ein ganzheitliches Konzept entwickelt und umgesetzt. Es umfasste neben der genannten Zweisprachigkeit auch Straßennamen von verdienstvollen sorbischen/wendischen Bürgern sowie regionalspezifische Bezeichnungen. Sie stellen ob ihrer Fülle und Vielfalt eine Einmaligkeit dar. Im Vergleich mit weiteren Stadtteilen wird in Neu-Schmellwitz/Nowy Chmjelow fast ausschließlich auf Sorbisches/Wendisches Bezug genommen.
Neu-Schmellwitz/Nowy-Chmjelow:
Schmellwitz/Chmjelow wird im Sorbischen/Wendischen mit dem Hopfen-Anbau in Verbindung gebracht, chmjel = Hopfen.
Am Doll/Pśi dole, abgeleitet von doł = Niederung
Am Hopfengarten/Chmjelnica, abgeleitet von chmjel = Hopfen
Hutungstr./Pastwina droga, abgeleitet von pastwa = Hutung, Weideflur
Kauperstr./Kuparska droga, abgeleitet von kupa = Hügelchen, inselartige Erhehung
Lug/Pśi ługu, abgeleitet von ług = sumpfige Niederung, Pfuhl
Naglinza/Naglinca, abgeleitet von glina = Lehm (die Straße sollte nördlich der Rudniki verlaufen, wurde aber 1989/90 nicht mehr gebaut - siehe Stadtplan 1990)
Rudniki-Str./Rudniki, abgeleitet von ruda = Raseneisenstein
Zuschka/Cužka, abgeleitet von tšužka = kleiner Wassergraben, Bächlein
Willi-Budich-Straße (Wili Budych 1890–1938)
Geboren in Cottbus-Sandow/Chóśebuz-Žandow als Sohn eines niedersorbischen/wendischen Gastwirts, Maschinenschlosser und Techniker, Sozialdemokratischer, ab 1919 kommunistischer Politiker, Gewerkschafter und Reichstagsabgeordneter, Redakteur der Roten Hilfe in Moskau, KZ Columbiahaus und Gefängnis Plötzensee, 1938 Opfer stalinistischer Säuberungen in der Sowjetunion, 1955 vom Obersten Gericht der UdSSR rehabilitiert (Quelle: Bundesarchiv Berlin, Nachlass von Lotte Pulewka)
Marjana-Domaškojc-Straße (Marianne Domaschke 1872–1946)
Geboren in Zahsow/Cazow als Tochter eines sorbischen/wendischen Schneiders und bis zuletzt hier wohnhaft, Textilarbeiterin in Cottbus/Chóśebuz, Dichterin und Verfasserin von Theaterstücken, z.B. „Šwickojc pytaju źowku“ (=Fam. Schwitzke sucht eine Magd), publiziert 1936; Mitglied des wendischen Buch- und Bildungsvereins „Maśica Serbska“ mit Sitz in Cottbus, Grabstätte mit hölzernem Gedenkkreuz und niedersorbischer/wendischer Aufschrift auf dem Friedhof sowie Tafel „Frauenorte“ (beide Zahsow)
Literatur: Sorbisches Kulturarchiv Bautzen, Bestand M. Domaškojc/Domaschke
Ernst-Mucke-Platz bzw. -Straße (Arnošt Muka 1854–1932)
Geboren in Großhänchen bei Bischofswerda als Sohn eines obersorbischen/wendischen Gutspächters, zuletzt wohnhaft in Bautzen/Budyšyn, Gymnasialprofessor (Dr. phil.), Redakteur, Sprachwissenschaftler und Ethnograf, Verfasser von Wörterbüchern sowie Schriften zur Kultur und Sprache der Ober- und Niedersorben, vielseitig engagiert im Bildungsverein „Maćica Serbska”; dieser 1991 als sorbische wissenschaftliche Gesellschaft erneuerte Verein lobt seit 2011 den „A. Muka-Preis” für Facharbeiten Studierender aus
Literatur: www.niedersorbisch.de (Wörterbücher 1911–1928) / www.sorabicon.de (Statistik der Sorben/Wenden, 1886)
Gotthold-Schwela-Straße (Bogumił Šwjela 1873–1948)
Geboren in Schorbus/Skjarbošc als Sohn eines niedersorbischen/wendischen Lehrers und wohnhaft v.a. in Dissen/Dešno, Pfarrer, Redakteur, Sprachforscher, Volkskundler, Mitbegründer der Domowina 1912, des Dachverbands sorbischer/wendischer Vereine, Vertreter der Bekennenden Kirche, letzter Vorsitzender des wendischen Buch- und Bildungsvereins „Maśica Serbska” bis zum Verbot 1937; der 1993 als sorbische wissenschaftliche Gesellschaft erneuerte Verein lobt seit 2011 den „Bogumił-Šwjela-Preis” für Facharbeiten zur sorbischen/wendischen Kultur und Geschichte aus, Grab in der Familiengrabstätte Haberland mit Gedenktafel auch in niedersorbischer/wendischer Sprache auf dem Nordfriedhof Cottbus
Literatur: www.sorabicon.de (Nachlass), www.niedersorbisch.de (Wörterbuch 1961)
Mina-Witkojc-Straße (Wilhelmine Wittka 1893-1975)
Geboren in Burg (Spreewald)/Bórkowy (Błota) als Tochter eines niedersorbischen/wendischen Dienstmädchens, wohnhaft u.a. in Bautzen/Budyšyn, Prag und Cottbus/Chóśebuz, Dienstmädchen in Berlin, Landarbeiterin in Burg/Spreewald, Dichterin, Publizistin und Redakteurin, Berufsverbot 1933 und Aufenthaltsverbot in der wendischen Ober- und Niederlausitz ab 1941/42. Seit 2018 lobt das brandenburgische Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur den „Mina-Witkojc-Preis” für besondere Verdienste um die niedersorbische/wendische Sprache aus. Grabstätte mit Gedenkstein in niedersorbischer/wendischer Sprache, Erinnerungstafel („Frauenorte“) am Haus der Begegnung (Bibliothek) in Burg/Spreewald und Gedenktafel mit Porträt an der ehemaligen Oberschule „Mina Witkojc“ in Werben/Wjerbno.
Literatur: Sorbisches Kulturarchiv Bautzen, Bestand M.Witkojc